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Im Jahre 1904 fand der erste deutsche Genozid statt. Er wurde im heutigen Namibia, der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika durch deutsche Kolonialtruppen verübt.
Vorausgegangen waren Viehseuchen, die Aneignung wertvoller Weideflächen durch deutsche Siedler, sowie Betrugsfälle beim Landerwerb. Die Herero verarmten, mussten die Viehzucht aufgeben und ausbeuterische Gelegenheitsarbeiten annehmen. Im Januar 1904 begann der Aufstand der Herero. In der Schlacht am Waterberg am 11. und 12. August 1904 wurden sie geschlagen. Die Überlebenden flüchteten in die Omaheke-Wüste, wo die deutschen Kolonialtruppen sie gezielt von den Wasserstellen vertrieben, sodass viele weitere Menschen verdursteten. Auch der Aufstand der Nama blieb vergeblich. Am 2. Oktober 1904 erließ Generalleutnant von Trotha eine Proklamation an das Volk der Herero, die später als „Vernichtungsbefehl“ bekannt wurde:
„Die Herero sind nicht mehr deutsche Untertanen. […] Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und keine Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auch auf sie schießen. … Ich glaube, daß die [Herero]Nation als solche vernichtet werden muß.“ (Lothar von Trotha: an den Chef des Generalstabes der Armee, 4. Oktober 1904).
Gefangene Aufständische wurden in eigens errichtete Konzentrationslager gebracht, wo sie Zwangsarbeit verrichten mussten und Menschenversuchen zum Opfer fielen. Historisch belegt sind etwa 8000 Todesopfer. Der Begriff „Konzentrationslager“ existierte zuvor im Deutschen nicht; die „concentration camps“ aus dem südafrikanischen Burenkrieg lieferten das Konzept für Internierung und Vernichtung.
Der Genozid an den Herero und Nama weist auch eine Verbindungslinie nach Kassel auf. Hier waren die – inzwischen im Unternehmen ThyssenKrupp und kleineren Nachfolgeunternehmen aufgegangenen – Henschelwerke angesiedelt. Sie fertigten unter anderem Eisenbahnschienen und Lokomotiven. Um 1904 den Widerstand der Herero und Nama gegen die deutsche Kolonialherrschaft niederzuschlagen, transportierten Panzerzüge deutsche Kolonialtruppen und Waffen. Damit war die Firma Henschel logistisch und organisatorisch mitverantwortlich dafür, dass der Völkermord geschehen konnte.
Heute setzt sich das Bündnis „Völkermord verjährt nicht“ für eine völkerrechtliche Anerkennung des Genozides seitens der Bundesrepublik Deutschlands ein und fordert Reparationen, sowie eine offizielle Entschuldigung.
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Sarkin, Jeremy (2011). Germany’s Genocide of the Herero: Kaiser Wilhelm II, His General, His Settlers, His Soldiers. Cape Town, South Africa: UCT Press.
Casper Erichsen, David Olusoga: The Kaiser’s Holocaust: Germany’s Forgotten Genocide and the Colonial Roots of Nazism. Faber and Faber, London 2010
Henning Melber/Kirstin Platt (2022) (Hrsg.): Koloniale Vergangenheit – Postkoloniale Zukunft?
Die deutsch-namibischen Beziehungen neu denken. Frankfurt: Brandes & Apsel.