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Die Geschichte Bremens kann ohne seine Häfen nicht erzählt werden. Bereits 1375 schließt sich Bremen der Hanse an, einem mittelalterlichen Kaufmanns- und Städtebund, in dem überwiegend Hafenstädte vertreten sind. Ab dem 17. Jahrhundert nehmen die globalen Handelsströme zu. Im 19. Jahrhundert macht der Welthandel einen erneuten Sprung. Beides veranlasst europäische Hafenstädte, ihre Hafeninfrastruktur auszubauen. In Bremen gehört hierzu auch die Korrektur des Weserflusses. Hierbei wird das Flussbett zwischen Bremen und Bremerhaven teilweise neu gebaut. Die Wassertiefe erhöht sich von 2 auf 5 Meter und erlaubt es somit auch größeren Schiffen, nicht nur Bremerhaven, sondern Bremen anzulaufen. Heute bilden die acht Seehäfen Bremens und Bremerhavens den viertgrößten Hafen Europas. Gleichzeitig begünstigt das Hafengeschehen die Ansiedlung von Industrie: 1872 gründet sich die AG Weser, 1893 der Bremer Vulkan – sie stellen das Rückgrat der Bremer Werftindustrie dar, bis diese in den 1980er und 1990er Jahren kollabiert. Zudem entwickelt sich eine vielfältige Lebensmittelindustrie, die von der vorhandenen Hafenlogistik profitiert. Auch bedeutsam ist 1908 die Gründung der Norddeutschen Hütte, den heutigen Stahlwerken. So in etwa lauten die zentralen Stichworte, mit denen in Bremen die Stadtgeschichte gemeinhin erzählt wird. Doch die Erzählung verschweigt die damit verbundene Gewalt: Hinter der Ausdehnung des Welthandels und den Profiteur:innen in Bremen steckt insbesondere die koloniale Unterwerfung weiter Weltregionen durch europäische Mächte. Schon früh importiert Bremen Tabak, Zucker und Baumwolle aus Nord- und Südamerika sowie der Karibik, also Produkte, die überwiegend von afrikanischstämmigen Sklav:innen angebaut werden. Ähnlich geschieht es nach der Kolonisierung Afrikas in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Auch hier ist es nackte Gewalt, die bäuerliche Gemeinschaften zwingt, Güter wie Kakao, Kautschuk oder Kaffee zu Billigstpreisen nach Europa zu liefern. Dies zeigt: Bremen hat von Sklaverei und Kolonialismus enorm profitiert. Und selbst heute erzielen Länder im Globalen Süden für ihre Rohstoffe keine angemessenen Preise – ebenfalls zum Vorteil Bremer Unternehmen. Eine lokalpatriotisch aufgeladene Stadt- und Hafengeschichte ist daher problematisch. Stattdessen sollten die globalen Verflechtungen selbstkritisch beleuchtet werden. Das bedeutet auch, die vielfältigen Widerstandsgeschichten sichtbar zu machen: Sowohl die in den Herkunftsländern, aus denen die Produkte in Bremer Häfen eingeschifft werden als auch die Arbeitskämpfe im Hafen, darunter die Beteiligung von Werftarbeiter:innen an der Novemberrevolution 1918.
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Literatur:
Arbeitskreis Hafen: Ankerpunkte der Verflechtung. Ein postkolonialer Rundgang durch die Bremer Überseestadt.
Olaf Bernau (2022): Brennpunkt Westafrika. Die Fluchtursachen und was Europa tun sollte. München: C.H.Beck
Knauf, Diethelm u.a. (2014): Die Bremischen Häfen – 1000 Jahre Geschichte (Dokumentation, 59 Minuten).
Film
Sebastian Möller (2020): Die Bremischen Häfen in der Globalen Politischen Ökonomie. Forschungsseminar an der Uni Bremen (SoSe 2020).