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von Adam Baher (glokal e.V. & solar e.V.)
Am 8. Dezember 2012 wird die ehemalige Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße in Kreuzberg von Geflüchteten und ihren Unterstützer:innen besetzt.
Einige Monate zuvor hatte eine Gruppe Geflüchteter auf dem Berliner Oranienplatz ein Protestcamp errichtet. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg akzeptiert beide Besatzungen nach einem Protestmarsch von Flüchtlingen gegen die Unterbringung in „Lagern“, die Aufenthaltsforderung und die Arbeitsbeschränkung von Würzburg nach Berlin und führt nicht direkt Räumungen durch.
Während der Besetzung beherbergt die Schule zeitweise mehrere hundert Geflüchtete. Im Rahmen des sogenannten „Einigungspapiers“ zwischen Bezirk und einem Teil der Besetzer:innen von Oranienplatz und Gerhart-Hauptmann-Schule werden 211 Flüchtlinge als Bewohner:innen der Schule geführt. Allerdings gibt es keine genauen Zahlen, wie viele Menschen die Schule tatsächlich bewohnten.
Politiker:innen, Medien und Einheimische beklagen die schlechten Lebensumstände an der Schule. So stand den Bewohner:innen insgesamt nur eine Dusche zur Verfügung. Die 16 Duschen in der nahe gelegenen Schul-Turnhalle waren für die Evakuierten tabu. Im Juni 2014 beschreibt ein Bewohner die Wohnsituation als „komplettes Chaos, kein gutes Wasser, nur ein paar Matratzen und keine Möbel.“
Nutzungsstrategien
Die Schule soll nach Plänen des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg aus dem Jahr 2013 in ein „Projektheim“ umgewandelt werden. Hier sollen verschiedene soziale Initiativen Unterschlupf finden, die aufgrund von Platzmangel im Bezirk von der Verdrängung bedroht sind. Später werden die Pläne verändert: Im November 2014 beschließt der Bezirk, die Schule in ein „Internationales Flüchtlingszentrum“ umzugestalten.
Ein Trakt der Gerhart-Hauptmann-Schule wird als Notunterkunft mit Platz für bis zu 109 Personen zur Verfügung gestellt. Dort soll mittelfristig der „Campus Ohlauer“ entstehen. Aus diesem Grund werden die Notunterkünfte in Gemeinschaftsunterkünfte umgewandelt, wo Geflüchtete länger bleiben können. 140 Einheiten werden in der neuen Struktur in Partnerschaft von Bezirk mit der Wohnungsorganisation Howoge gebaut, insbesondere für obdachlose Frauen und Geflüchtete.
Räumung
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg versucht über die Jahre mehrmals, die Schule zu räumen. Der letzte Räumungsversuch ist erfolgreich, und am 11. Januar 2018 um 8 Uhr morgens wird die Schule evakuiert. Die Oplatz-„Vereinbarung“ hat Tradition, dies ist ein weiterer Versuch des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg und des Berliner Senats, die Flüchtlingsbewegung zu spalten. Drohungen, repressive Polizeigewalt, Isolation und Überwachung durch Sicherheitspersonal, wochenlange Polizeibelagerungen der Nachbarschaft und Kriminalisierung der Aktivist:innen waren Antworten auf den jahrelangen Kampf für Selbstbestimmung, Bewegungsfreiheit, gegen Rassismus und gegen das europäische Migrationsregime.
Trotzdem: Flüchtlinge erkämpfen sich den Status von politischen Subjekten, wie es das Refugee Movement vorgemacht hat. Ihre Forderungen nach Sichtbarkeit und Gleichberechtigung – die ihnen die überwiegend weiße deutsche Gesellschaft verweigert – haben Organisationen, Projekte und Menschen inspiriert und mobilisiert. Angesichts der anhaltenden Expansion des Grenzregimes nach Afrika, der anhaltenden rassistischen und kapitalistischen Ausbeutung und der Rechtsbewegung in Europa sind Mut, Solidarität und ein gemeinsamer politischer Kampf wichtiger denn je. Unabhängig von ihrem Rang oder Herkunftsort muss jeder die Freiheit haben zu wählen, wo und wie er leben möchte!
Zum Weiterlesen:
Refugee Movement: News from the Inside.