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Vom 13. Juni bis zum 13. Juli 1878 tagte im Reichskanzlerpalais der sogenannte Berliner Kongress unter Vorsitz Otto von Bismarcks.
Mit dem Niedergang des Osmanischen Reiches waren machtpolitische Konflikte auf dem Balkan entstanden. Diese waren nicht nur bedeutend für lokale Bevölkerungen und regionale Herrschaftsregimes, sie erweckten auch das Interesse der weiteren zeitgenössischen Mächte. Das Machtvakuum auf dem Balkan löste heftiger Kriege, Kämpfe und Dispute zwischen dem Osmanischen und dem zaristischen Russland aus. Der russisch-türkische Krieg 1877–78 war der wichtigste Auslöser des Berliner Kongresses. Otto von Bismarck, der Reichskanzler des 1871 gegründeten Deutschen Reiches, sah seine Gastgeberrolle und Kongressführung auch in diesem Zusammenhang.
Teilnehmer des Kongresses waren neben den fünf europäischen Großmächten – England, Frankreich, Deutschland, Russland und Österreich-Ungarn – auch Italien und das Osmanische Reich. Für alle inhaltlichen Beschlüsse auf dem Kongress galt das Prinzip der Einstimmigkeit. Die Vertreter der Balkanländer, u.a. Griechenland, Montenegro, Rumänien und Serbien, wurden bei bestimmten Themen angehört. Sie besaßen aber kein Stimmrecht. Die Konflikte auf Balkanregionen setzten sich trotz bzw. wegen des Kongresses fort und mündeten in den Ersten Weltkrieg.
Die sogenannte „armenische Frage“ war ebenfalls ein wichtiger Verhandlungspunkt. Der Berliner Vertrag 1878 über die Zukunft des Osmanischen Reiches verlangte im Artikel 61 „Reformen“ in armenischen Provinzen und insbesondere Verbesserung ihrer Sicherheit „gegen die Tscherkessen und Kurden“. Trotz des Vertrages und der internationalen Aufmerksamkeit wurden in den kommenden Jahren und Dekaden Armenier:innen mehrmals Ziel politischer Gewalt im Osmanischen Reich. In den Jahren 1895–97 wurden die Armenier:innen im Imperium, die in West-Armenien und insbesondere auf dem Armenischen Hochplateau lebten, massakriert. Tausende Armenier:innen begaben sich schon vor dem Genozid 1915 in Ost-Armenien unter Russlands Schutz.
Nach dem Berliner Kongress und in den Folgejahren verkleinerte sich das Osmanische Reich durch Unabhängigkeitskriege und -erklärungen immer weiter. Das Deutsche Reich baute dennoch über die Jahre hinaus exzellente Verbindungen zu dem Osmanischen Regime auf und hielte sie, u.a. zu der jungtürkischen Regierung ab der Revolution 1908 und dem Putsch 1913, aufrecht. Im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918 kämpfte man Seite an Seite und machte weiterhin gute Geschäfte mit den Osmanen. Sie waren Bündnispartner während des Genozids, der Deportationen und systematischen Gewalt an Armenier:innen. Das Zitat des zeitgenössischen Reichskanzlers, Theobald von Bethmann-Hollweg, zu einem diplomatischen Bericht vom Dezember 1915 beschreibt die Haltung des Deutschen Reiches wie folgt: „Unser einziges Ziel ist, die Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite zu halten, gleichgültig, ob darüber die Armenier zugrunde gehen oder nicht“.
Quellen:
Imanuel Geiss (Hrsg.): Der Berliner Kongreß 1878. Protokolle und Materialien. Boldt, Boppard am Rhein 1978, ISBN 3-7646-1729-2 (Schriften des Bundesarchivs 27)
Wolfgang Gust (Hg.): Der Völkermord an den Armeniern 1915/16. Dokumente aus dem politischen Archiv des deutschen Auswärtigen Amtes. Zu Klampen Verlag. 2005. Abrufbar unter: (Deutsch, Englisch und Türkisch): http://www.armenocide.net
Raymond H. Kévorkian. The Armenian Genocide: A Complete History. I.B. Tauris. 2011
Raymond H. Kévorkian & Paul B. Paboudjian. Les Arméniens dans l’Empire ottoman à la veille du genocide.
Arhis, Paris. 1992. Abrufbar unter: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k33238543/f1.item.texteImage